Was ist ein modernes Archivinformationssystem (AIS)?
Archive sind die Bewahrer unseres kollektiven Wissens. Sie speichern Unterlagen und Gegenstände, die nicht mehr im Alltag benötigt werden, aber aufgrund rechtlicher, historischer oder praktischer Gründe nicht vernichtet werden können oder sollen. Was einst primär in Papierform und in physischen Archiven aufbewahrt wurde, hat sich durch die digitale Transformation stark verändert. Doch was macht ein modernes Archivinformationssystem (AIS) aus, und warum ist es für die Archivarbeit so unverzichtbar?
Archivierung im Wandel der Zeit
Traditionelle Archive waren in der Vergangenheit auf Papierdokumente fokussiert. Diese wurden in Regalen, Schränken oder Kisten gelagert, und der Zugriff auf Informationen erforderte oft grosse zeitliche und personelle Ressourcen. Die Digitalisierung hat diese Arbeit grundlegend verändert. Moderne Archive verwalten nicht mehr nur physische Akten, sondern auch eine Vielzahl digitaler Daten und zunehmend sogar physische Objekte.
Ein Archivinformationssystem bildet das Herzstück dieser Verwaltung. Es strukturiert und dokumentiert die archivierten Inhalte normiert und systematisch. Dabei erfüllt es eine Schlüsselfunktion: Es gewährleistet, dass Informationen nicht nur sicher und geordnet aufbewahrt werden, sondern bei Bedarf auch schnell und zuverlässig auffindbar sind. Denn die Jagd nach Informationen darf keine endlose Suche sein – sie muss effizient, präzise und benutzerfreundlich gestaltet sein.
Herausforderungen der digitalen Transformation
Die digitale Transformation konfrontiert Archive mit einer Vielzahl neuer Herausforderungen. Neben der rasant wachsenden Datenmenge erweitern sich auch die Vielfalt der Formate und die Komplexität technischer Standards, die berücksichtigt werden müssen. Historische Archive, deren Bestände oft Jahrhunderte umfassen, stehen dabei vor der anspruchsvollen Aufgabe, traditionelle Methoden mit modernen Anforderungen zu vereinen. Diese Verbindung erfordert nicht nur technologische Innovationen, sondern auch ein grundlegendes Umdenken in der Archivarbeit.
Die Schnelllebigkeit digitaler Datenformate unterstreicht die Notwendigkeit, Archivinformationssysteme zukunftssicher und flexibel zu gestalten. Ein modernes AIS muss die gewachsenen Strukturen und bewährten Archivtraditionen respektieren und gleichzeitig den Anforderungen der digitalen Ära gerecht werden. Dies setzt den Einsatz moderner Softwarelösungen voraus, die durch leistungsstarke Suchfunktionen und hohe Interoperabilität überzeugen, um Daten aus unterschiedlichen Quellen effizient zu verknüpfen und zugänglich zu machen.
Merkmale eines modernen Archivinformationssystems
Was macht ein modernes Archivinformationssystem aus? Die folgenden sieben Merkmale sind essenziell, um den Anforderungen heutiger Archive gerecht zu werden:
1. Flexibilität und Skalierbarkeit
Ein AIS muss mit den Anforderungen eines Archivs wachsen können. Es sollte in der Lage sein, eine Vielzahl unterschiedlicher Archivmaterialien zu verwalten, darunter Textdokumente, Bilder, audiovisuelle Inhalte und sogar physische Objekte. Zudem sollte es sich nahtlos in bestehende Arbeitsprozesse integrieren lassen.
2. Metadaten-Management
Metadaten sind das Rückgrat jeder Archivarbeit. Ein modernes AIS ermöglicht die präzise Erfassung, Verwaltung und Suche von Metadaten. Umfangreiche Metadaten verbessern nicht nur die Navigation durch die Bestände, sondern schaffen auch neue Zugänge zu Informationen. Die Integration internationaler Standards, wie etwa Records in Context (RiC), erlaubt es, Archivgut in seinem Kontext zu erfassen und darzustellen, was die Bedeutung und Herkunft der Materialien verständlicher macht.
3. Einhaltung von Normen
Die normierte Erfassung von Daten und Metadaten ist entscheidend. Neben etablierten Modellen muss ein modernes AIS auch neue Ansätze integrieren können. Records in Context ist ein Beispiel, das die Möglichkeit schafft, Informationen in ihrem Beziehungskontext zu organisieren. Dies fördert ein besseres Verständnis und eröffnet neue Forschungswege.
4. Kontextuelle Verknüpfungen
Archivinformationen stehen oft in einem Netzwerk von Bezügen. Ein AIS sollte in der Lage sein, solche Verknüpfungen darzustellen und durchsuchbar zu machen. Es ermöglicht Nutzern, nicht nur einzelne Dokumente zu finden, sondern auch deren Bedeutung im grösseren Zusammenhang zu verstehen. Eine solche Kontextualisierung ist in einer immer stärker vernetzten Welt von zentraler Bedeutung.
5. Benutzerfreundlichkeit
Die beste Technologie nützt wenig, wenn sie nicht benutzerfreundlich ist. Eine intuitive Oberfläche, einfache Suchfunktionen und klare Navigation sind essenziell, damit Archivare, Forscher und gelegentliche Nutzer gleichermassen effizient arbeiten können.
6. Sicherheit und Datenschutz
Archive bewahren oft vertrauliche oder sensible Informationen. Ein modernes AIS muss daher höchste Sicherheitsstandards erfüllen und gleichzeitig datenschutzkonform sein. Dies gilt sowohl für On Premises als auch für Cloud-basierte Lösungen.
7. Interoperabilität
In einer zunehmend digitalisierten Welt ist Interoperabilität nicht länger eine Option, sondern eine zentrale Voraussetzung für moderne Archivinformationssysteme. Ein AIS muss in der Lage sein, mit anderen Systemen und etablierten Standards zu interagieren, um einen nahtlosen Austausch und die effektive Nutzung von Daten in verschiedenen Kontexten zu gewährleisten.
Diese Fähigkeit ist insbesondere für die Zugänglichmachung archivierter Informationen von entscheidender Bedeutung. Ein digitaler Lesesaal, welcher Nutzern einen flexiblen und ortsunabhängigen Zugang zu Beständen ermöglicht, erfordert eine robuste Interoperabilität. Dies steigert nicht nur die Effizienz der Archivarbeit, sondern auch den Mehrwert für Forschende und die interessierte Öffentlichkeit.
On-Premises oder Cloud?
Archivsysteme können entweder lokal auf eigenen Servern (On-Premises) oder in der Cloud betrieben werden. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile. On-Premises-Lösungen bieten eine höhere Kontrolle und können den spezifischen Datenschutzanforderungen gerecht werden. Cloud-Lösungen hingegen punkten mit Skalierbarkeit, Flexibilität und geringeren Infrastrukturkosten. Letztlich hängt die Entscheidung von den individuellen Anforderungen des Archivs und der rechtlichen Rahmenbedingungen ab.
Zukunftsperspektiven: Alte Traditionen und neue Technologien
Moderne Archivinformationssysteme stehen an der Schnittstelle zwischen bewährten Archivtraditionen und innovativen Technologien. Historische Archive haben oft besondere Eigenheiten, die erhalten werden müssen, während sie gleichzeitig den Anforderungen der digitalen Ära gerecht werden. Ein gutes AIS bietet die notwendige Flexibilität, um diese Balance zu wahren.
Die Zukunft der Archivarbeit wird durch Technologien wie künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Big-Data-Analysen weiter revolutioniert.
Ein modernes Archivinformationssystem ist weit mehr als nur ein Werkzeug zur Verwaltung von Papierstapeln. Es ist das Rückgrat moderner Archive und ermöglicht den Zugang zu Wissen und kulturellem Erbe in einer zunehmend digitalen Welt.